Der Verfasser dieser Arbeit hat sich der dankenswerten Aufgabe unterzogen, einmal die Literatur
darauf kritisch durchzusehen, ob der Ziegenmilch tatsächlich eine besondere Stellung bzw. Bedeutung innerhalb der tierischen Nahrungsmittel zukommt. Die ganze diesbezügliche Problematik wird in
der Überschrift knapp und verständlich ausgedrückt: Volksheilmittel oder Aberglaube?
Der Verfasser wählte als Ausgangspunkt die im Landwirtschaftslexikon 1920 (Verlag: Paul Parey) zum
Stichwort "Ziegenmilch" gemachten Ausführungen. Da sie auch heute noch für jeden Ziegenhalter von Interesse sein dürfen, werden sie nachfolgend angeführt:
"Die Ziegenmilch ist sehr nahrhaft und eignet sich besonders für die künstliche Ernährung von
Säuglingen und Kindern, ebenfalls als vorzügliche Nahrung für Erwachsene und besonders für kranke, schwächliche Personen. Im ungekochten Zustand ist die Ziegenmilch am leichtesten verdaulich und
sehr bekömmlich. Die Kuhmilch hat mehr Eiweiß, das aber im menschlichen Magen Klumpen bildet, während die Ziegenmilch das Eiweiß in leicht verdauliche, kleinere Flocken
abscheidet."
Inwieweit treffen diese Aussagen nach unseren heutigen Erkenntnissen noch zu? Der Verfasser meint,
dass man die Bedeutung der Ziegenmilch, z.B. die Aussage, dass sie für die künstliche Ernährung von Säuglingen und Kindern besonders geeignet sei, auf die damalige Zeit beziehen müsse, als die
Säuglinge überwiegend mit der Muttermilch aufgezogen wurden. Allerdings vertragen Säuglinge, die an Milchschorf leiden, gegen Kuhmilch und eventuell auch gegen Muttermilch allergisch sind, in den
meisten Fällen Ziegenmilch problemlos. Ein Grund dafür kann sein, dass Ziegenmilch viel feiner gerinnt als Kuhmilch und somit leichter verdaulich ist. Zu beachten ist weiterhin, dass der Anteil
höherwertiger Eiweißverbindungen in der Ziegenmilch größer als in der Kuhmilch ist. Dazu kommt, dass der Anteil der kurzkettigen Fettsäuren höher ist und die Fettkügelchen feiner verteilt, also
kleiner sind. Die Behauptung, dass Ziegenmilch eisenarm sei, trifft nach Rohrer für jede Milch zu. Außerdem habe dieser Faktor keine große Bedeutung für die Ernährung. Der Verfasser zieht
folgende Schlussfolgerung:
"Ziegenmilch kann im heutigen Sinn des Wortes nicht als Heilmittel bezeichnet werden, sondern sie ist
vielmehr ein Nahrungsmittel, das besonders vom Säugling und vom geschwächten Körper sehr gut vertragen wird. So trägt sie zur Stärkung des Organismus bei, der vielfach erst dadurch imstande ist,
sich gegen eine Allergie oder eine Krankheit erfolgreich zur Wehr zu setzten."
Rohrer S. (Der Kleintierzüchter 35 (1987))